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Google Home: Dieser Assistent soll das Zuhause digitalisieren

Voice Search und digitale Assistenten bestimmen immer stärker unseren täglichen Umgang mit dem Internet. Das Smartphone hat dies möglich gemacht. Nun kehrt die mobile Revolution zurück in unsere vier Wände und lässt das Handy hinter sich. Google Home will unser Zuhause digitalisieren. Doch kommt der Marktführer zu spät?

Undenkbar, dass Captain Picard einen Lichtschalter oder gar einen Wasserkocher für seinen geliebten Earl Grey betätigen würde. Auf der Enterprise reichte das Schlagwort „Computer“ und schon erledigte das Bordsystem alle Dinge des Alltags, informierte über anstehende Termine, spielte zur Stimmung passende Musik oder berechnete die Flugdauer der nächsten Dienstreise. Nach Laptops und Klapphandys hält allmählich auch diese Zukunftsvision der Science-Fiction-Serie Einzug in unseren Alltag.

Im Juni 2015 wagte ausgerechnet der Online-Händler Amazon den ersten Schritt und brachte mit Amazon Echo einen neuartigen sprachgesteuerten Assistenten für zu Hause auf den Markt. Der intelligente Lautsprecher entwickelte sich wider Erwarten zum echten Verkaufs-Hit. Beobachter schätzen, dass bislang rund drei Millionen Stück verkauft wurden, weshalb Amazon direkt mit zwei Nachfolgemodellen nachgelegt hat. Umso gespannter warteten Experten darauf, ob, wann und wie Google und Apple nachziehen würden. Ein Jahr nach Amazon hat Google dies getan, zumindest per Ankündigung.

Auf der Entwicklerkonferenz Google I/O 2016 wurde am 18. Mai 2016 Google Home erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Als Mario Queiroz, Vizepräsident im Produktmanagement bei Google und Chromecast-Verantwortlicher, das Gerät in die Hand nahm und den Zuschauern zeigte, brandete spontaner Applaus auf. Denn im Gegensatz zur schwarzen Plastikröhre Amazon Echo ist Google Home ein echter Augenschmeichler. Nicht von ungefähr, denn der Internetkonzern möchte den Verbraucher fast vergessen lassen, dass der ständig lauschende Assistent da ist.


Was ist Google Home?

Quelle: YouTube


Google Home ist wie Amazon Echo ein durch das gesprochene Wort gesteuerter Assistent ohne Eingabetastatur und Knöpfe. Er ist ständig eingeschaltet und „lauscht“ per Mikrofon auf den Aktivierungsbefehl „Okay, Google“. Der obere Teil ist weiß und mit bunten LED in den Google-Farben versehen. Der untere Teil lässt sich in verschiedenen Farben und Materialien bestellen. Auf diese Weise soll sich das Gerät an die jeweilige Umgebung anpassen. Der WLAN-Lautsprecher ist mit einem Stromkabel versehen und daher nicht mobil. Um Wohnung oder Haus komplett abzudecken, sind also mehrere Geräte notwendig.


Wozu braucht man das?

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Screenshot: YouTube


Natürlich kann man bei Fragen und Wünschen auch daheim Google Now oder den weiter entwickelten Google Assistant nutzen. Google aber strebt danach, seine Dienste und Technologien möglichst nahtlos in den Alltag des Nutzers zu integrieren. Da wird das Smartphone, das einst diese extreme Nähe erst ermöglicht hat, zunehmend zum Klotz am Bein. „Wenn ich in mein Haus komme, möchte ich weiterhin Zugang zum Google Assistant haben“, sagte Queiroz vor den Entwicklern. „Aber ich sollte dabei die Hände frei haben, nur meine Stimme benutzen, ohne mein Telefon hervorholen zu müssen.“


Was kann Google Home?

Google selbst unterteilt die Hauptaufgaben seines neuen Geräts in drei Sparten: Musik/Entertainment, Organisation des Alltags, Suche.

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Screenshot: YouTube


Entertainment: Das Streaming-Gerät Chromecast, das Musik und Videos aus dem Internet auf den Fernseher bringt, gehört zu Googles großen Erfolgsgeschichten. Nicht umsonst ist der Chromecast-Verantwortliche auch für Google Home zuständig. Anstatt den gewünschten Inhalt per App auf dem Smartphone auszuwählen, kann man Google Home einfach sagen, was man hören oder sehen möchte. Etwa einen bestimmten Film auf dem Fernseher im Wohnzimmer oder eine bestimmte Playlist über den Lautsprecher im Badezimmer. Google Home soll auch mit einigen Schlagworten das richtige YouTube-Video finden.

Organisation: Als guter Assistent ist Google Home weit mehr als ein Kalender. Es informiert auf Wunsch über die anstehenden Termine des Tages, verschiebt Meetings, checkt, ob ein Flug verspätet ist und ändert völlig selbstständig Reservierungen im Restaurant – so jedenfalls die Darstellung im Demo-Video des Herstellers. Außerdem dient Google Home seinem Namen gemäß bei vorhandener Smart-Home-Technik als Kommandozentrale über Beleuchtung, Heizung und Alarmanlage. Später soll Google Home auch in der Lage sein, ein Auto zu mieten oder Abendessen liefern zu lassen.

Suche: Google Home bringt den neuen Google Assistant in die eigenen vier Wände. Der baut auf der bisherigen Software Google Now auf und soll dank künstlicher Intelligenz ein sehr viel besserer Gesprächspartner sein. Denn beim Aufstieg der sprachbasierten Suche, die Schätzungen zufolge bis 2020 die Hälfte aller Suchanfragen ausmachen soll, verlagert sich der Schwerpunkt von eingetippten Suchbegriffen hin zu kompletten Sätzen und Nachfragen. Hier spielt Google seine ganze Kompetenz im Bereich Suche aus. Google Home soll daher Fragen beantworten können, mit denen andere Assistenten Probleme haben, versprach Queiroz, etwa: „Wie groß war die US-Bevölkerung, als die NASA gegründet wurde?“ „Sie bekommen jedes Mal umgehend korrekte Antworten“, versprach der Google-Manager. Und je mehr Google Home über den Nutzer erfahre, desto besser würden die Ergebnisse.


Probleme

Diese letzte Aussage von Queiroz lässt natürlich bei Datenschützern die Alarmglocken läuten. Schon bei Amazon Echo waren die Bedenken angesichts eines ständig lauschenden Mikrofons in den eigenen vier Wänden groß, doch die Gefahr durch den oft als „Datenkrake“ gescholtenen Google-Konzern dürfte ungleich größer ausfallen.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Andrea Voßhoff, warnte unlängst vor Google Home und Amazon Echo. „Als Datenschützerin sehe ich intelligente Sprachassistenten, die mit einem Mikrofon permanent ihre Umgebung ‘belauschen’, kritisch“, sagte Andrea Voßhoff im Mai 2016 der „WirtschaftsWoche“. Bedenklich sei vor allem, dass in der Regel nicht hinreichend transparent sei, wie die dabei erfassten Informationen genutzt und gespeichert würden. Jeder Verbraucher solle sorgfältig „den Komfortgewinn durch die Nutzung des Sprachassistenten gegen eine – jedenfalls theoretische – Rund-um-die-Uhr-Überwachung der Privatsphäre“ abwägen, warnte die Datenschutzbeauftragte.

Noch stellt sich Interessierten dieses Problem allerdings nicht. Denn wann Google Home in den Verkauf geht und zu welchem Preis, ist noch ungewiss. Auf der offiziellen Webpräsenz kann man sich derzeit lediglich über Updates informieren lassen. Irgendwann in diesem Jahr soll der Verkaufsstart erfolgen, heißt es dazu beim Anbieter, was aber zunächst für den US-Markt gelten dürfte. Deutsche Verbraucher müssen vermutlich noch sehr viel länger auf den Assistenten warten. Schließlich ist Amazon Echo auch ein Jahr nach dem Verkaufsstart in den USA hierzulande im Amazon-Shop noch nicht erhältlich. Bei Amazon.com kostet das Gerät übrigens 180 Dollar und kommt bei knapp 38.500 Bewertungen auf viereinhalb Sterne.


Fazit

Ob und wie schnell Google Home den Rückstand auf Amazon Echo aufholen kann, muss sich zeigen. Hier könnte ein rascher Verkaufsstart in Europa einen entscheidenden Vorteil bringen. Nicht zuletzt Googles Marktmacht im Bereich Suche und Mobile sowie der Erfolg mit Chromecast könnte den heimischen Assistenten zum echten Verkaufs-Hit machen, sollte der Preis stimmen. Womöglich könnte Google damit sogar sein mobiles Geschäft für die Zukunft fitter machen. Denn obwohl die mobile Suche boomt und Menschen im Bus hemmungslos in ihr Handy brüllen, ist die „Unterhaltung“ mit dem Assistenten in aller Öffentlichkeit vielen Menschen offenbar noch unangenehm.

Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Creative Strategies werden sprachgesteuerte Assistenten von ihren Nutzern vor allem im Auto (51 Prozent) und daheim (39 Prozent) befragt. Nur 6 Prozent nutzen sie in der Öffentlichkeit, bei der Arbeit sind es lediglich 1,3 Prozent. Google Home könnte womöglich nicht nur von der Affinität für Heimnutzung profitieren, sondern auch junge Nutzer zum gesprochenen Dialog mit ihrem Assistenten anreizen.


Titelbild via googleblog.blogspot.de