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Virtual Reality und die Chancen für das lokale Marketing

Virtual Reality ist derzeit in aller Munde. Internetkonzerne setzen auf die virtuelle Realität als die nächste, große Tech-Entwicklung. Das komplette Eintauchen in künstliche Welten bietet auf den ersten Blick vor allem dem Online-Handel neue Möglichkeiten der Kundenansprache. Doch auch das lokale Marketing und der Einzelhandel vor Ort können von den virtuellen Welten profitieren.


Seit Jahrzehnten umtreibt der Cyberspace die Fantasie von Entwicklern und Verbrauchern zugleich. Wenn der Mensch scheinbar nahtlos in computergenerierte Welten einzutauchen vermag, könnte dies eine völlig neue Entwicklungsstufe im digitalen Zeitalter einläuten. Diese lang gehegte, aber diffus gebliebene Zukunftsvision wird derzeit Realität. Branchenführer wie Google, Apple, Facebook und der Elektronikhersteller Samsung setzen allesamt auf die neue Technik.

Die kommt durch die günstige Hintertür an den Kunden. Denn dank der schon vorangeschrittenen digitalen Revolution besitzen die meisten Menschen bereits einen perfekten VR-Einsteigerbildschirm in Form ihres Smartphones. Da war es ein ziemlich genialer Coup, als Google 2014 anfing Berührungsängste bezüglich der noch fremden Technik durch ein analoges Billig-Brückengerät abzubauen. Google Cardboard kostet auf der offiziellen Seite gerade einmal 20 Euro (von anderen Anbietern sind Modelle bereits ab einem Euro erhältlich) und verwandelt mithilfe einer App das Smartphone in eine VR-Brille.

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Bild: © Evan Amos


Die leicht zusammenfaltbare Pappkonstruktion mit Linsen dient als Gehäuse für das Smartphone und verengt das Sichtfeld auf zwei runde Bereiche. Die App spielt ein Video für jedes Auge einzeln und leicht verändert ab, wodurch ein 3D-Effekt entsteht: Der Nutzer befindet sich scheinbar direkt im Video, egal ob bei einem Hai im Meer, einem Popkonzert oder einem zum Verkauf stehenden Haus.

Der günstige Preis für Google Cardboard sollte nicht nur Nutzer anlocken, sondern in erster Linie Entwickler ermutigen, neue Programme für VR zu schreiben. Die Strategie ging auf: Wie Googles Vice President Virtual Reality, Clay Bavor, im Januar mitteilte, wurden bis dato fünf Millionen Google Cardboard Brillen in Umlauf gebracht. Die über 1.000 Cardboard-Apps wurden mehr als 25 Millionen Mal von Google Play heruntergeladen. Google legt nun qualitativ nach: Im Mai wurde die neue Plattform Daydream für mobile VR in hoher Bildqualität angekündigt. Das Partnerprogramm zu Cardboard soll im Herbst 2016 starten.


Apple hinkt hinterher

Das Software Development Kit (SDK) von Google VR ist übrigens nicht nur für Android, sondern auch für iOS verfügbar. Ausgerechnet Technikpionier Apple nämlich hat den VR-Trend etwas verschlafen, will das jetzt aber rasch aufholen. Ende Januar berichtete die „Financial Times", dass Apple eine geheime Forschungseinheit für Virtual und Augmented Reality mit Hunderten Experten eingerichtet hat. Sie sollen ein Headset entwerfen, das es mit Facebooks Oculus Rift oder der Augmented-Reality-Brille HoloLens von Microsoft aufnehmen kann. In den vergangenen Monaten seien einige Prototypen entstanden.

Welche Bedeutung VR künftig zukommen könnte, wurde spätestens 2014 deutlich, als Facebook den VR-Pionier Oculus für zwei Milliarden US-Dollar übernahm. Das VR-Headset Oculus Rift kam am 28. März 2016 auf den Markt und richtete sich mit einem Einführungspreis von 600 US-Dollar an ein sehr viel ausgabefreundlicheres Publikum als Google Cardboard.

Technik von Oculus und damit Facebook steckt auch in der Samsung Gear VR. Das Headset ist speziell auf Samsungs Galaxy-Smartphone ausgelegt. Der Hersteller verspricht ein Blickfeld von 96 Grad – das entspräche dem Blickfeld eines Menschen, der in zwei Meter Abstand vor einem Bildschirm mit einer Diagonalen von fast 4,5 Metern sitzt. Im Februar kündigte Facebook weitere VR-Kampagnen im Bereich Video und soziale Medien an.

Ein wichtiger Konkurrent der Oculus-Technologie wurde im April der Smartphone-Hersteller HTC. Dessen VR-Headset HTC Vive erhält zurzeit vor allem für Tracking und Steuerung viel Lob und Beachtung. Im Gegensatz zur Gamepad-gesteuerten Oculus Rift wird die HTC Vive über zwei Controller mit beiden Händen bedient. Das Tracking-System “Lighthouse” erfasst den Nutzer dabei im physischen Raum und bietet ihm so einen genau abgesteckten Bewegungsradius im Virtuellen.

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Bild: © HTC


Chance für den Einzelhandel

Neben Videospielherstellern, Medienhäusern und der Filmindustrie hat auch der Handel die Vorteile der virtuellen Realität fest im Blick. Die Möglichkeiten für das Online-Shopping liegen auf der Hand: Anstatt sich durch endlose Abfolgen von Produktbildern zu scrollen, könnte der Kunde etwa mit 360-Grad-Blick durch eine virtuelle Boutique schlendern. Mithilfe von Augmented Reality (erweiterter Realität) ließen sich Kleidungsstücke sogar gleich anprobieren, indem sie einem Avatar des Nutzers „angezogen“ werden.

Eben dieses Prinzip steht aber nicht nur Online-Riesen wie Amazon oder Zalando, sondern auch dem Einzelhandel offen. Durch das scheinbare Eintauchen in das gezeigte Szenario wird VR bereits sehr gern zum Vorführen von Immobilien oder Autos verwendet, um Interessenten einen möglichst realistischen Eindruck vom Produkt zu vermitteln.



Anfang Januar 2016 präsentierte die Bonial.com Group mit ihrer Marke kaufDA die Vorversion ihrer ersten VR-App für Oculus Rift. Damit will die Tochter der Axel Springer SE Kunden über Angebote des stationären Einzelhandels informieren, bevor diese das Geschäft besuchen. Virtuelle Räume mit Rundumblick sollen Nutzer den Angaben zufolge in die Produktwelt eines virtuellen Ladengeschäfts eintauchen lassen, wo sie Produkte von allen Seiten betrachten und Preise prüfen können. Favoriten ließen sich auf dem Smartphone für den realen Ladenbesuch vormerken.

Um Nutzern den Einstieg in die Produktion von VR-Content zu erleichtern, unterstützt YouTube seit März 2015 360-Grad-Videos. Bei diesen beschränkt sich das Sichtfeld nicht auf die herkömmliche Perspektive. Stattdessen kann der Zuschauer den Blick in der virtuellen Realität heben, senken sowie nach rechts und links wenden. Dafür notwendig sind 360-Grad-Videokameras und entsprechende Software. Im April kündigte YouTube zudem Live-Streaming in 360-Grad sowie Raumklang an.


Yelp informiert mit Augmented Reality

Während VR uns in eine computergenerierte Umgebung versetzt, holt Augmented Reality virtuelle Objekte oder digitale Informationen quasi in unsere Realität. Ein erster, ambitionierter Versuch mit Google Glass scheiterte, war aber womöglich lediglich seiner Zeit voraus. Augmented Reality ist heute bereits fester Bestandteil etwa der App von Yelp. Die Funktion Monocle zeigt Informationen zu Unternehmen an, wenn diese mit der Handykamera erfasst werden.

Die US-Investmentbank Piper Jaffray hat in einer Prognose den heutigen Stand der VR-Technik mit jener der Mobiltelefone vor 15 Jahren verglichen. Sollte sich dies bewahrheiten, wäre virtuelle und erweiterte Realität Technologiebereiche, die kein Einzelhändler vernachlässigen dürfte.


Titelbild: © istockphoto.com