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Beacons – Lockruf für Kunden oder Hightech-Strohfeuer?

Die vernetzte Welt endet immer noch meist an der Eingangstür von Geschäften. Sind beliebte Produkte im Angebot? Das muss der Verbraucher selbst herausfinden, ebenso wie den genauen Standort der Ware im Geschäft. Die Beacons-Technologie verspricht, Kunden direkt beim Vorbeilaufen über Rabattaktionen zu informieren und nebenher dem Händler die Daten zum Kundenverhalten zuzuspielen. Sind Bluetooth-Beacons der Heilsbringer des stationären Handels?

Diese Szene im Science-Fiction-Film „Minority Report“ hinterließ nicht nur bei Unternehmern bleibenden Eindruck. Ein von Tom Cruise gespielter Polizist geht im Jahr 2054 durch ein Kaufhaus, während auf Werbetafeln umgehend persönlich auf ihn zugeschnittene Werbung erscheint. In Steven Spielbergs Zukunftsvision aus dem Jahre 2002 wurde der Kunde noch per Retina-Scan identifiziert.

Weit weniger aufwändig – und düster – fällt die reale Umsetzung dieser unternehmerischen Fantasie aus. Mit Beacons, zu Deutsch “Leuchtfeuer”, soll der lokale Handel endlich vollständig die tiefen Gräben zwischen online und offline, mobil und stationär überwinden.

Die auf Bluetooth basierende Technologie ist nun seit einigen Jahren auf dem Markt und wird mittlerweile auch in Europa getestet. Sie verspricht, Kundenprofil mit Kundenverhalten und Warenkorb zu verbinden. Doch noch strahlen die Beacons nicht so hell, wie viele sich das wünschen.

Wie das funktioniert, ist Beacon-Herstellern zufolge schnell erklärt: Ein Kunde nähert sich einem Geschäft, das er gern frequentiert und dessen App er heruntergeladen hat. Der Beacon des Ladens ortet das sich nähernde Smartphone des Kunden und schickt ihm per Push-Nachricht ein individuelles Angebot. Der Verbraucher wird dann (durch die App) direkt zum richtigen Regal gelotst.

Für den Händler springt dabei die vollständige Analyse des Kundenverhaltens im Geschäft raus. Der Händler wird, nachdem der Kunde das Geschäft verlassen hat, wissen, vor welchem Schuhregal oder Display der Kunde wie viel Zeit verbracht hat, ob der Kunde eher teure Lebensmittel einkauft als günstige, zu welchen Zeiten der Kunde dieses Geschäft bevorzugt aufsucht etc..

Wie alles begann: iBeacon und Eddystone werden eingeführt

Beacons sind winzige, simple Funksender, die per Bluetooth Low Energy (BLE) Kontakt mit Smartphones aufnehmen. Im Gegensatz zum herkömmlichen Bluetooth benötigen die kleinen Funksender extrem wenig Energie. Damit können sie – mit einer Knopfzellenbatterie betrieben – viele Monate bis etliche Jahre betrieben werden.

2013 feierten die streichholzschachtelgroßen Funksender ihren Durchbruch, als Apple den BLE-Standard iBeacon einführte. Im Juli 2015 zog Google mit dem Konkurrenz-Standard Eddystone nach. Dieser ist im Gegensatz zu iBeacon plattformübergreifend und funktioniert neben Android auch mit iOS und generell jedem System, das BLE-Beacons unterstützt.

Apple hatte die iBeacons gleich nach der Einführung in seinen US-Geschäften installiert. Dort zeigte sich umgehend, auf welche Weise das System besser nicht genutzt werden sollte. Wie das Wirtschaftsmagazin “Forbes” damals berichtete, beschränkte sich Apple auf allgemeine Botschaften, die am Kunden-Erlebnis im Geschäft vorbeigingen – etwa, dass auf der App Reviews veröffentlicht werden können. Von personalisierten Angeboten oder Produktinformationen keine Spur.

Gegenwärtige Herausforderungen

Tatsächlich steht und fällt bei Beacons im Handel die Erfolgsaussicht damit, wie sehr die verbreiteten Botschaften zu Angeboten oder Aktionen den Nerv und die Bedürfnisse des individuellen Kunden treffen. Zuvor aber gilt es, überhaupt an den Endverbraucher zu gelangen. Noch müssen Interessierte die jeweilige App des Händlers installiert haben und die Push-Nachrichten autorisieren, um mit ihrem BLE-fähigen Smartphone per Beacon informiert zu werden. Selbst, wenn der Kunde bereit ist, die Apps von Dutzenden von Geschäften auf sein Handy zu laden, droht die Gefahr, dass er im Einkaufszentrum von Nachrichten geradezu überschüttet wird.

Weiterer Stolpersteine: Viele Menschen haben Bluetooth standardmäßig deaktiviert, da die Technik auf modernen Smartphones viel Strom frisst. Außerdem sind die BLE-Sender derzeit noch recht schwach. Ihr Radius liegt etwa zwischen 15 und 30 Metern. Die Signale werden zudem leicht von bestimmten Materialien (Beton, Glas, Holz, etc.) gestört und reagieren sensibel auf viele Menschen (z.B. in Kaufhäusern).

Beacons bei Ikea, Google und Billa

Google will mithilfe von Beacons das Geo-Targeting seiner eigenen Apps verfeinern. In einem Pilotprogramm in Portland wurden beispielsweise mithilfe der Technologie in Google Maps aktuelle Verkehrsverbindungen angezeigt. Außerdem arbeitet der Konzern im Zuge seines Projekts “Physical Web” mit dem offenen Standard UriBeacon, durch den Funksender auch ohne passende App direkt eine Internetadresse an Smartphones schicken können.

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Auch in Europa interessieren sich zunehmend große Händler für die Beacon-Technologie und sondieren deren Möglichkeiten unter realen Bedingungen. Im Mai 2015 startete Ikea im Einrichtungshaus Graz eine Testphase mit 28 der kleinen Beacon-Funkkästen und veröffentlichte dazu auch gleich einen Info-Clip.

Am Eingang erwartet den Nutzer seitdem eine Begrüßung und im Bereich des Restaurants wird über Menüs im Angebot informiert. Voraussetzung: Die Ikea Family App und der Bluetooth-Standard 4.0 ab iOS 7.0 und Android 4.3. Ebenfalls in Österreich testet die Supermarktkette Billa seit August in elf Filialen iBeacons. Diese klären Kunden über aktuelle Rabatte auf, verschenken Coupons oder erinnern an der Kasse an das “Aufrunden”.

Ein Auge auf die Entwicklung

Es bleibt abzuwarten, wann sich die Beacon-Technologie durchsetzen wird, denn viele Hürden müssen noch genommen werden, damit die kleinen Funksender halten können, was sie versprechen. Bleibt die Technik bloßes Gimmick oder wird sie lediglich als weiterer Kanal der Werbe-Dauerbeschallung genutzt, dürfte sie den Weg des QR-Codes gehen – ein anfangs ebenfalls gehypter Techtrend, der trotz aller Vorschusslorbeeren heute eine Randexistenz führt.

Händler und Dienstleister, die sich für die Bluetooth-Beacons interessieren, sollten sich daher der technischen Herausforderungen, vor denen diese Lösung noch steht, bewusst sein. Bei allem Hype darf zudem nicht auf den Blick durch die Kundenbrille verzichtet werden. Denn den konkreten, individuellen Mehrwert für den Kunden bleiben Beacons-Anbieter Händlern noch schuldig.

(Bildnachweise: Pressebild 1 von Estimote beacons https://estimote.com/press-kit/ und Pressebild 2 von IQ mobile: IKEA-Referenz Beacons https://www.pressetext.com/news/20150727007 ; https://www.iq-mobile.at)