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5 Trends der Digitalisierung im Handel – Was ist dran?

Anglizismen und Buzz-Wörter ohne Ende: Bei der digitalen Vernetzung des stationären Handels wird eine Strategie nach der nächsten zur vermeintlichen Wunderwaffe im Kampf um Kunden ausgerufen. Was steckt hinter Begriffen wie Geotargeting und Indoor Navigation und wann wird Digitalisierung eigentlich vom Helfer zur Zumutung?


Digital Touch Points, Mobile Payment, Beacons, Instant Delivery, Self-Checkout, Point of Sale, Click and Collect: Die digitale Schnittstelle des stationären Handels wird dominiert von futuristisch klingenden Konzepten. In der Realität sieht es aber fast so aus, als ob Händler (und auch Verbraucher) noch nicht so weit sind. Oder sind Ihnen beim Shoppen Dienstleistungen, wie oben aufgeführt, bereits über den Weg gelaufen?

Viele Händler und lokale Unternehmen stehen im ersten Schritt vor dem Problem, überhaupt im Internet auffindbar zu sein. Die Pflege von Firmenprofilen und deren Veröffentlichung auf Google Maps, Apple Maps, meinestadt.de und anderen wichtigen Verzeichnissen sollten für jeden Händler heutzutage zum Pflichtprogramm gehören. Diese Daten und Profile dienen als Basis für ein gutes Ranking bei lokalen Suchanfragen. Besonders bei der Suche mit dem Smartphone nach Dienstleistungen und Produkten in der Nähe entscheidet eine gute Platzierung oft darüber, ob ein Geschäft besucht wird oder nicht.

Doch wie sieht es mit der Kür aus? Angesichts einer Flut an immer neuen Strategien ist die Zurückhaltung vieler Händler nachvollziehbar. Denn allzu schnell wird der angestrebte digitale Erlebnispark für den Kunden zum digitalen Spießrutenlauf und scheitert bereits bei der Umsetzung.


Welche Trends haben das Zeug dazu, dem Kunden einen echten Mehrwert zu bieten?


1. Geofencing und Geotargeting


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Das Smartphone als intelligenter Shopping-Assistent steht im Zentrum vieler Digitalstrategien. Experten raten Händlern, ja rasch das Telefondisplay des Kunden zu besetzen, bevor es der Konkurrent tut. Ein in diesem Zusammenhang immer wieder gern genanntes Schlagwort ist Geofencing oder das sogenannten Geotargeting. Geofencing bezeichnet eine virtuelle Grenze im realen Raum, etwa einen bestimmten Radius um ein Geschäft. Über Bluetooth-Beacons und Near-Field-Communication-Sensoren wird das sich nähernde Smartphone des Kunden erfasst. Die Funktion Geofencing wird vom jeweiligen Betriebssystem des Smartphones bereitgestellt und kann von den Apps genutzt werden. In jedem Fall muss aber der Nutzer, sprich der Besitzer des Smartphones, zustimmen. Er muss zum einen die Funktion in seinem Phone aktivieren und auch der jeweiligen App den Zugriff auf seinen Standort erlauben.

Der Kunde erhält beim Überschreiten der Geofencing-Grenze dann zum Beispiel eine persönliche Begrüßung, individuelle Angebote oder Coupons, die ihn zum Gang ins Geschäft bewegen sollen.

Größtes Manko des Geotargeting ist der bereits angedeutete Konkurrenzkampf um den begehrten Platz auf dem Display. Kunden können rasch von zu allgemeinen und für sie uninteressanten Informationen bombardiert werden, so dass sie entsprechende Benachrichtigungen von Apps der Händler ganz ausschalten. Im Hinblick auf Datenschutz ist es für viele Verbraucher zudem fragwürdig, ihr Einkaufsverhalten mit derartigen Bewegungsprofilen offenzulegen.

Da das Geotargeting nur im Zusammenhang mit der jeweiligen Händler-App funktioniert, ist der Erfolg schwer abschätzbar. Nutzer werden sich nicht eine Vielzahl von Apps auf Ihr Smartphone packen. Das ist umständlich, nimmt Platz weg und saugt den Akku unnötig an.


2. Indoor Navigation


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Auch bei diesem digitalen Trend geht es darum, die Bewegungsrichtung des Kunden zu beeinflussen – dieses Mal innerhalb des Geschäfts. Spezielle Indoor Navigation Apps führen den Kunden basierend auf dessen Einkaufszettel auf einer effizienten Route durch die Regale. Die App Aisle411 (bis dato nur in den USA verfügbar) etwa hat die Pläne von mehr als 225.000 Filialen verschiedener Firmen gespeichert.

Indoor Navigation ist zudem eng mit Geotargeting verzahnt. An bestimmten Stellen im Geschäft kann der Kunde per Handy-Botschaft über das tolle Angebot im Regal rechts neben sich informiert werden. Die möglichen Vorbehalte sind bei der Indoor Navigation ähnlich geartet wie beim Geotargeting. Allerdings hat der Händler innerhalb der Filiale eine stärkere Kontrolle über die Zahl der Nachrichten, die der Kunde erhält.


3. Drive-Through-Shopping und Click & Collect


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Der Name klingt seltsam, das Prinzip ist denkbar simpel. Hier sollen die jeweiligen Stärken des on- und offline Shoppings vereint werden. Waren – vor allem aus Supermärkten - werden bequem und in aller Ruhe am Computer ausgesucht und bezahlt. Sie kommen dann aber nicht etwa per Paketdienst nach Hause, sondern werden vor Ort zusammengestellt und vom Kunden abgeholt. Entspanntes Einkaufen ohne Wartezeiten an der Kasse und die Ware ist am selben Tag verfügbar: Dieses Prinzip erfreut sich vor allem in Frankreich wachsender Beliebtheit. In Deutschland bietet unter anderem die Supermarktkette Real in bislang zwei Städten einen solchen Service an. Online-Händler Amazon plant einen Drive-Through-Supermarkt im Silicon Valley.

Drive-Through-Shopping klingt nach einer guten Idee. Hier kommt es aber auf die Feinheiten an: Spart der Kunde wirklich Zeit, indem er seine Einkäufe vorab online zusammenstellt? Läuft die Abholung problemlos und ohne Wartezeit ab? Nur dann hat der Trend Aussicht auf Erfolg, denn viele Supermärkte liefern mittlerweile online bestellte Waren gegen nur geringe Gebühren selbst aus. Bereits sehr viel weiter verbreitet ist das Prinzip „Click & Collect“. Hier kaufen Kunden beispielsweise bei einer Modekette online ein und lassen sich die Artikel in eine der Filialen liefern. Dadurch werden Versandkosten gespart und eventuelle Retouren können sofort im Geschäft abgewickelt werden. Auch Ebay bietet Click and Collect für viele Artikel an.

Laut einem Artikel von etailment gehört Click & Collect für die großen Player des Handels bereits zum Standard. Click & Collect wurde sogar als das „Must - Have“ des Jahres 2015 betitelt.


4. QR-Code-Shopping


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QR-Codes sind das Paradebeispiel für Tech-Hypes, die ihr Versprechen bislang nicht einlösen konnten. Trotz aller Erwartungen fristen die scanbaren Abbildungen heute eher eine Randexistenz. Als digitale Brücke zum stationären Handel erlebten QR-Codes noch mal einen Aufschwung. Der Bezahldienst PayPal etwa startete 2013 in Oldenburg ein Pilotprojekt. Dabei wurden Bekleidung oder Elektronikartikel auf Plakaten oder in Schaufenstern feilgeboten und konnten per QR-Code sogleich gekauft und bezahlt werden. Die Ware kam dann per Lieferdienst zum Kunden nach Hause. Das Projekt generierte viel Aufmerksamkeit, blieb aber bezüglich der Verkaufszahlen hinter den Erwartungen zurück. Richtig umgesetzt kann das Prinzip vielleicht doch funktionieren. In China etwa scannen Passanten wie selbstverständlich an öffentlichen Orten Codes von Anzeigetafeln und bekommen die so gekauften Waren geliefert.


5. Digitaler Spiegel


Ein Spiegel in der Umkleidekabine, der gleichzeitig als Monitor fungiert? Das Display kann dem Kunden anzeigen, in welchen Farben der gerade anprobierte Pullover noch verfügbar ist und gleich simulieren, wie dieser in der anderen Farbe aussieht. Oder der Kunde wird in Verbindung mit Augmented Reality eingescannt und die Kleidungsstücke werden ohne lästiges Anprobieren im Spiegel auf den Körper gezaubert. Derartige Geräte sind bereits unter Markennamen wie „MemoryMirror“ auf dem Markt. Gerade in der Umkleidekabine aber dürften viele Kunden noch davor zurückschrecken, sich vor einer Computerkamera zu entblößen. Außerdem stellt sich die Frage, für welches Segment des stationären Handels derartige Spielereien sinnvoll sein könnten? Schwierigkeiten in der Umsetzung bestehen wahrscheinlich schon darin, genügend Platz für die Spiegel bereit zu stellen ohne zu viel Ladenfläche zu verlieren.


Fazit: Nicht alles, was Experten, Dienstleister und Agenturen austüfteln, hat im konkreten Geschäftsalltag tatsächlich Platz. Eine zu überkandidelte digitale Aufrüstung kann Kunden womöglich sogar abschrecken. Denn die versprechen sich bei aller digitalen Vernetzbarkeit vor allem eins vom stationären Handel: Guten Service und kompetente Beratung. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) hat die nötige Praxisorientierung ganz passend zusammengefasst: „Die Digital-Experten dürfen den Handel nicht mit zu spitzen Zukunftsthesen überfordern und müssen stattdessen verstärkt den Austausch suchen.“